Magazin FIRST

Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

Magazin Wir HOLZBAUER

Das Mitglieder- und Verbandsmagazin von Holzbau Schweiz

02/2023 Helikoptermontage

BEWEGEN

«Man gewinnt auch an Reife und Sozialkompetenz»

Mit der Bildungsoffensive Gebäude wollen der Bund und die Gebäudebranche neue Fachkräfte gewinnen und die Abwanderung in andere Branchen verhindern. Grosse Bedeutung kommt dabei dem lebenslangen Lernen (LLL) zu. In den beiden Unternehmen GUT AG Gebäudetechnik und A. Kuster AG (Bedachungen, Fassadenbau, Spengler und Solarmontage) wird diese Lernkultur schon heute gelebt. Im Interview erklären die Geschäftsleiter Patrick Frank und Andreas Kuster, warum sie ihre Mitarbeitenden dazu anregen, sich stetig weiterzubilden.

Text Nicolas Gattlen Bilder zVg

 

Herr Frank, Herr Kuster, wie reagieren Sie, wenn bei Ihnen ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin mit dem Wunsch nach einer Weiterbildung anklopft?
Andreas Kuster: Ich befürworte das immer. Selbst mehrjährige Lehrgänge und Absenzen von 20 bis 30 Stellenprozent tragen wir mit. Wenn wir als Firma die Weiterbildung unseres Personals nicht unterstützen, sind wir rasch auf verlorenem Posten. Die Anforderungen im Dach- und Fassadenbau nehmen stetig zu, insbesondere im Planungsbereich. Der Solarboom hat das nochmals verstärkt. Da braucht es Fachleute, die up to date sind. Hinzu kommt, dass eine Weiterbildung die Motivation der Mitarbeitenden, ihre Lust am Beruf stärkt.

Patrick Frank:
Das sehe ich ähnlich. Ich bin ein Fan des lebenslangen Lernens. Die Teilnahme an Weiterbildungskursen öffnet einem das Blickfeld. Man lernt neue Themen kennen, auch neue Leute, gewinnt an Reife und eignet sich soziale Kompetenz sowie ein gesundes Selbstvertrauen an. Dies sind wichtige Eigenschaften im Umgang mit Mitarbeitenden in einer Führungsposition.

Kommt der Wunsch nach einer Weiterbildung zumeist von den Mitarbeitenden oder geben Sie den Anstoss dazu?
AK: Es gibt beide Fälle. Mir ist es wichtig, dass die Weiterbildung ein Teil unserer Firmenkultur ist. So motivieren wir bereits die Lernenden, an den SwissSkills teilzunehmen. Das ist zwar kein Weiterbildungsevent, aber er bietet den Teilnehmenden die Chance, Erfahrungen zu sammeln und sich zu beweisen. In den letzten Jahren konnten unsere Lernenden grosse Erfolge an den SwissSkills und den Berufsweltmeisterschaften feiern. Das stärkt auch ihren Berufsstolz und wirkt beflügelnd.

PF: Auch wir gehen aktiv auf die Mitarbeitenden zu und pushen das Thema Weiterbildung auf allen Ebenen, beim Kader wie beim Handwerk. In der Gebäudetechnik gehen die technischen und normativen Entwicklungen derzeit rasant voran. Weder die Mitarbeitenden noch die Firma können es sich erlauben, diese zu verschlafen.

Haben Sie keine Angst, dass die Mitarbeitenden nach der Weiterbildung zu einem Konkurrenten abspringen oder die Branche wechseln?

PF: Dieses Risiko besteht immer, die Mitarbeitenden gehören mir ja nicht, sie können sich frei entscheiden. Ich habe aber fast nur gute Erfahrungen gemacht. Die Leute schätzen es, wenn man sie unterstützt, und sie zahlen dies mit Engagement und Treue zurück.

AK: Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Mit einer guten Weiterbildungskultur kann man übrigens auch neue Mitarbeitende gewinnen. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass unsere Firma Weiterbildungen unterstützt. Die Leute klopfen bei uns an, weil sie wissen, dass sie Kurse besuchen dürfen und die neu erlernten Skills etwa bei der Planung oder Montage von Solaranlagen in unserem Betrieb umsetzen können.

Unterstützen Sie Weiterbildungen auch finanziell?

PF: Ein Teil der Kosten wird über Mitgliederbeiträge vom Verband bezahlt, bei Kursen mit eidgenössischer Prüfung übernimmt der Bund die Hälfte der Kosten. Gewisse Kantone unterstützen Teilnehmende über reduzierte Teilnahmegebühren. Wir übernehmen jeweils 50 Prozent von den verbleibenden Kosten. Und bei Bedarf bieten wir zinslose Darlehen an, die gestaffelt zurückgezahlt werden können.

AK: Durch die Unterstützung vom Staat und die Vergütung aus dem Berufs- und Vollzugkostenbeitrag sind die Schulgelder fast beglichen. Dies schafft Anreize, eine Weiterbildung zu starten, ohne dass die Mitarbeitenden eine grosse finanzielle Belastung hinnehmen müssen.

Gilt in Ihrem Betrieb die Ausbildungszeit als Arbeitszeit?

PF: Oft finden die Kurse ja abends und an den Wochenenden statt. Wenn Kurse während der Arbeitszeit durchgeführt werden und ein Mitarbeiter in dieser Zeit nur 80 Prozent bei uns arbeitet, zahlen wir ihm ein Salär von 90 Prozent. Die restlichen Stunden (10 %) kann er mit einem Teil der Ferien oder Überstunden kompensieren. Sie dürfen auch ins Minusstunden-Konto fliessen und nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung abgearbeitet werden. Bei guten Leistungen lassen wir auch gerne ein paar Stunden stehen, in der Regel bis zu 80 Stunden.

AK:
Gemäss GAV stehen unseren Mitarbeitenden drei Ausbildungstage pro Jahr zu. Bei Weiterbildungen mit längerer Laufzeit vereinbaren wir die Vergütung der Ausfallstunden immer individuell.

Führt Ihre Firma auch interne Weiterbildungskurse durch?

PF: Wir verfügen im Betrieb über einen Berufsbildner im Vollpensum. Er bildet nicht nur Lernende aus, sondern hilft auch den Mitarbeitenden, die eine Weiterbildung machen. Zudem besucht unser Berufsbildner regelmässig Seminare – etwa über neue Normen – und gibt dieses Wissen an die Belegschaft weiter. In der Sanierungsabteilung sind alle Projektleitenden mit den aktuellen Vorschriften und Fördergeldern vertraut. Unser Unternehmen führt in der Zentralschweiz jährlich etwa 120 Heizungssanierungen durch. Da muss man einen guten Überblick über die verschiedenen kantonalen Gesetze haben.

AK: Auch wir führen jedes Jahr interne Weiterbildungskurse für die Belegschaft durch. In vielen Fällen wird die Teilnahme mit einem Zertifikat ausgewiesen. Zertifikate sind nicht nur für die Arbeitnehmenden wichtig, sie heben auch unsere Firma von den Mitbewerbern ab. Neben internen und externen Kursen besuchen unsere Mitarbeitenden Info-Veranstaltungen. Jüngst etwa war unser Kader bei der Abteilung Energie des Kantons Thurgau und liess sich über die neuesten Änderungen bei den Förderprogrammen informieren. Qualifiziertes Personal ist der Schlüssel zum Erfolg des Betriebs. Die permanente Weiterbildung sehen wir deshalb als Kernthema an.

Weiterbildung zur Energiefachperson

EnergieSchweiz erleichtert die Suche nach der passenden Weiterbildung in den Bereichen Energieeffizienz, Energiesuffizienz und erneuerbare Energien mit einer übersichtlichen Zusammenstellung diverser Angebote auf der Website von EnergieSchweiz. Aufgeführt sind Angebote von Fachhochschulen und Universitäten, Lehrgänge der höheren Berufsbildung sowie Weiterbildungsangebote (Kurse) von Kantonen und weiteren Organisationen. energieschweiz.ch/bildung/weiterbildungsangebote/


Was bedeutet Lebenslanges Lernen (LLL)?

Wissen und Kompetenzen sind einem permanenten Wandel unterworfen: Bestehendes Wissen geht verloren oder verliert seinen Wert, neue Kompetenzen sind gefragt. Entwicklungen wie die Digitalisierung beschleunigen diesen Prozess. Um Bildungsdefizite zu schliessen, ist lebenslanges Lernen (LLL) ein Muss. Der
Begriff umfasst sowohl Lernen im formalen Bereich (eidgenössisch anerkannte Abschlüsse) als auch die nicht formale Bildung in Kursen und Seminaren usw. sowie die individuelle Bildung durch Fachliteratur, in der Familie, in ehrenamtlichen Tätigkeiten. Wer eine Weiterbildung mit eidgenössischer Prüfung (BP eidg. Fachausweis oder HFP mit eidg. Diplom) machen will, kann beim Bund eine Subjektfinanzierung beantragen: www.sbfi.admin.ch (Bundesbeiträge). Das SBFI unterstützt auch die Betriebe dabei, ihre Mitarbeitenden für die Herausforderungen am Arbeitsplatz fit zu halten, beispielsweise mit dem Förderprogramm «Einfach besser! … am Arbeitsplatz» oder mit dem «KMU Leitfaden für Weiterbildung». weiterbildung-in-kmu.ch