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01/24 Holzbau für Helden

BAUEN

Holzbau für Helden

Warum nicht aus Holz? Die Gemeinde Küsnacht am Zürichsee hatte ein offenes Ohr für den Vorschlag, das neue Depot für die Feuerwehr aus Holz zu realisieren. Den Zuschlag erhielt schlussendlich die Egli Zimmerei AG aus dem Toggenburg. Heute sendet der auffällige, rote Neubau am strategisch hervorragenden Ort eine wichtige Botschaft aus.

Text Sue Lüthi Fotos Kasparthalmann Pläne moos.giuliani.herrmann.architekten

 

Dieser Holzbau setzt einen neuen Massstab. Ein Feuerwehrdepot mitten im historischen Dorfkern ist schon eine Herausforderung der Grössenverhältnisse. Dieses mit Holz auszuführen deutet auf Wissen und Wollen und es zeigt: Feuer und Holz kann gut in einem Atemzug genannt werden. Die Ausschreibung der Holzbauarbeiten fand nach Oberhelfenschwil im Toggenburg (SG) zur Egli Zimmerei AG, die mit ihren Referenzen die Bauherrschaft überzeugte und den Auftrag an der Goldküste erhielt. «Schweizer Holz» stand darin, doch der Holzbeschaffungskreis konnte verkleinert werden, denn auch auf dem Pfannenstiel am Zürichsee wächst Wald, rund 160 Hektaren allein in der Gemeinde Küsnacht. Und so betraten die Förster der Holzkorporation Küsnacht das Parkett des Geschehens. «Solche Synergien machen die Holzbranche stark», sagt Urs Schuler, Projektleiter der Egli Zimmerei AG. Das Team wählte die Firma August Brühwiler AG in Balterswil (TG) aus, um das Rundholz in Lamellen einzuschneiden und diese danach zu Leimholz weiterzuverarbeiten. So entstand die Holzkette Goldküste-Toggenburg und retour.

Steigender First
Das Projekt ging aus einem Studienauftrag hervor und die Küsnachter Stimmbevölkerung bestätigte zwölf Millionen Franken für den Neubau. Das Architekturbüro Moos Giuliani Herrmann Architekten hatte mit einem winkelförmigen Grundriss die Fläche zwischen einer Wiese und dem Kreisel im Dorf optimal besetzt. Die Form ergab sich aus zwei Hallen mit erstausrückenden und zweitausrückenden Fahrzeugen. Der Gebäudeschenkel zur Strasse hin trennt den Vorplatz mit den wegfahrenden Blaulichtwagen von den einrückenden Feuerwehrleuten. Diese nutzen die Zufahrt zu den Parkplätzen oder fahren um das Gebäude in die Tiefgarage. Offensichtlich wichtig: kurze Wege und zwar so, dass sich Leute und Fahrzeuge nicht in die Quere kommen. Richtung Wiese wirkt der Baukörper niedrig und das weit auskragende Vordach rundum gibt dem öffentlichen Bau einen eigenständigen, aber nicht aufdringlichen Charakter. Der Aufbau über dem Hauptdach dient der grossen Halle als Oblicht. Diese ist im Grundriss unregelmässig, die Seitenwände sind nicht parallel. Abgewinkelt dazu konnten über den Funktionsräumen für die Feuerwehr drei Alterswohnungen eingerichtet werden.


Aus diesem Grundriss resultierten konische Dachelemente und geometrisch ein steigender First bei Traufen auf gleicher Höhe. Die Egli Zimmerei bearbeitete alle Holzbauteile im eigenen Werk und produzierte anschliessend die Elemente. So waren die Transportwege Küsnacht – Baltenswil – Oberhelfenschwil und zurück zum Ursprung kurz und nachhaltig.

Statement für den Holzbau
Aufmerksamkeit ziehen die beiden rund 27 Meter langen Fachwerke im Inneren des Gebäudes auf sich. Diese und die gesamte Holzbauplanung stammen aus der Feder des Ingenieurbüros Makiol Wiederkehr AG aus Beinwil am See. Die Träger wurden in je zwei Teilen in der Zimmerei abgebunden und fertiggestellt. Vor Ort haben die Holzmonteure die vier Teile zu zwei Trägern verbunden und diese auf zwei seitliche Betonwände gesetzt. Die Fachwerke sind 2,56 Meter hoch, der Untergurt misst im Querschnitt 44 auf 32 Zentimeter. Das Dach darüber bilden gewinkelte Elemente, dort steigt die Dachneigung auf fast zwölf Grad an. Das gesamte Walmdach mit einer Neigung von zehn Grad ist mit Fotovoltaikpaneelen eingedeckt, die mehr Leistung erbringen, als das Gebäude braucht.


Der Gemeinde als Bauherrin war ein nachhaltiges Gebäude ein Anliegen, das mit verschiedenen Massnahmen erreicht wurde. Die Materialwahl der Bauteile ist vernünftig auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmt. Beispielsweise wurden die Zwischendecken in Beton ausgeführt, um so auf einfachste Art den Brandschutz zu lösen. Bauteile unterschiedlicher Lebensdauer wurden voneinander entflechtet. So ist die Haustechnik sichtbar und damit einfach ersetzbar installiert.


Zuerst wurden die Wandelemente (29?cm stark, ausgefacht mit Mineralwolle) gestellt, die die Fachleute über die gesamte Wandhöhe und über zwei Stockwerke geplant hatten. Sie wurden komplett, inklusive der horizontalen Aussenverschalung und einer zweifachen Behandlung mit der roten Farbe, einer mineralischen Behandlung von Keim Lignosil-Artis, im Werk erstellt. In einem weiteren Schritt folgten die Fachwerke und danach die Dachelemente. Diese sind mit Dreischichtplatten, Weichfaserplatten und Zellulosedämmung ausgestattet. Das filigran wirkende und doch drei Meter auskragende Vordach aus etwa 200 Bügen haben die Holzbauer nachträglich montiert. Rundum ist die Dachentwässerung integriert.


Die charakteristische Architektur zeigt selbstbewusst ihre Materialien und passt die grossen Hallen schön ins Dorf ein. Der Neubau ist zwar grösser als das ersetzte Gebäude aus dem Jahre 1936, doch ist er wegweisend, wie funktionale Formen mit Ästhetik und Konstruktion vereint werden können. Zudem ist ein Stützpunkt aus Holz für die Helden der Brandbekämpfung ein starkes Statement dessen, was der Holzbau in den letzten Jahren erreicht hat. mgh.ch


Egli Zimmerei AG

Das Holzbauunternehmen in Oberhelfenschwil im unteren Toggenburg (SG) wird seit 1945 als Familienunternehmen geführt. Unter dem heutigen Geschäftsführer Karl Egli, der den Betrieb 1989 von seinem Vater übernommen hatte, entwickelte sich der kleine Handwerksbetrieb zum mittelgrossen Holzbauunternehmen. Die Egli Zimmerei AG bietet Planung, Holzbau- und Schreiner­arbeiten an. Zu ihren Referenzen zählen viele öffentliche Bauten wie Schulhäuser und Sporthallen, aber auch Hallenbäder und Ökonomiebauten. Vor vier Jahren wurde in eine Fünf-Achs-Abbundmaschine in der neuen Werkhalle investiert. Die Lehrlingsausbildung hatte von Beginn an ein grosser Stellenwert. Zurzeit werden 14 Lehrlinge zum Zimmermann, zur Zimmerin, zum Schreiner oder zur Schreinerin ausgebildet. Total sind 80 Mitarbeitende in Oberhelfenschwil beschäftigt. Urs Schuler (39) ist seit zehn Jahren in der Egli Zimmerei AG als Projektleiter tätig. Er hat dort bereits die Lehre zum Zimmermann absolviert und ist nach einigen Jahren der Wanderschaft in den Betrieb zurückgekehrt. eglizimmerei.ch


Neubau Feuerwehrdepot

Projekt: Feuerwehrdepot, Küsnacht (ZH)
Bauherrschaft: Gemeinde Küsnacht
Fertigstellung: 2023
Architektur: moos.giuliani.herrmann.architekten, Uster (ZH),
Andelfingen (ZH), Schaffhausen (SH) und Diessenhofen (TG)
Bauleitung: PBM, Planungs- und Baumanagement AG, Zürich
Holzbauingenieur: Makiol Wiederkehr AG, Beinwil am See (AG)
Holzbauunternehmen: Egli Zimmerei AG, Oberhelfenschwil (SG)
Säge- und Leimwerk: August Brühwiler AG, Balterswil (TG)
Verwendetes Holz: Fichte/Tanne aus dem Küsnachter Wald
Behandlung Fassadenoberfläche: Keimfarben AG, Thal (SG)
Bausumme (BKP 1–9): CHF 12 Mio.
Holzbauarbeiten: CHF 1,2 Mio.