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02/24 Gut investiert

BAUEN

Alles unter einem Dach

Am Frutiger Marktplatz treffen Tradition und Moderne aufeinander: Auf der einen Seite erhebt sich ein moderner Holzhybridbau. Auf der anderen Seite steht ein Stöckli für die traditionelle Holzbauweise der Berner Bauernhäuser. Mehr als nur der Baustoff Holz vereint diese architektonischen Schätze.

Text Sandra Depner Bilder David Bühler, Markus Lamprecht Pläne Akkurat Bauatelier AG

An diesem Ort schlägt die Architektur eine Brücke zwischen Alt und Neu: Traditionelle Gestaltungselemente, darunter reichlich Holz, prägen den Ersatzneubau der Raiffeisen in Frutigen. Unter dem an die regionale Baukultur angelehnten und weit auskragenden Satteldach ist der neue Hauptsitz der Bank angesiedelt – zentral gelegen und nur wenige Gehminuten vom Bahnhof Frutigen entfernt. Dieses harmonische Zusammenspiel zwischen traditioneller Zimmermannskunst und zeitgemässem Holzbau wurde durch das Thuner Architekturbüro Akkurat Bauatelier in Zusammenarbeit mit zahlreichen ortsansässigen Handwerksunternehmen geschaffen.


Den Zuschlag für die Holzbauarbeiten erhielt eine Frutiger Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus der Bärtschi Bau AG und Holzbau Lauener. Ein Hauptgrund für den Ersatzneubau war der Wunsch der Bauherrschaft nach einer verbesserten Infrastruktur, die den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden sowie der Mitarbeitenden gerecht werden würde. Das Gebäude sollte mehr Raum für individuelle Beratung bieten, schlankere Prozesse und kurze Wege ermöglichen – und das alles in einer angenehmen und modernen Atmosphäre. Die Bank war mit den Jahren gewachsen und mittlerweile war die Infrastruktur in drei Bauwerken angesiedelt – neben dem Hauptsitz aus dem Baujahr 1994 auch in dem benachbarten Rüeggerhaus, einem umgenutzten, historischen Bauernhaus.


Ersatzneubau nach Mass

Der alte Hauptsitz musste im Rahmen des Bauvorhabens weichen. Im April 2023 öffnete die «Raiffeisenbank Frutigland» ihre Türen zum modernen Holzhybridbau, der nun die gesamte Infrastruktur der Bank unter einem Dach vereint. Die Einstellhalle und das Ergeschoss sind in Ortbeton realisiert. Darüber wurden das Ober- und Dachgeschoss in Holzelementbauweise aufgerichtet – ausgesteift von einem Fluchttreppenhaus, dieses wiederum in Ortbeton.


Den Wünschen der Bauherrschaft entsprechend plante das Architekturbüro Akkurat Bauatelier die Nutzung des Ersatzneubaus wie folgt: Im Untergeschoss befindet sich eine Einstellhalle mit Parkplätzen. Die Kunden treten über das Sockelgeschoss ein und gelangen in die Eingangshalle und die Beratungsräume. Das Ober- und Dachgeschoss sind als Backoffice-Bereiche den Mitarbeitenden vorbehalten.


Die räumliche Teilung betont die Gestaltung der Fassade: Der Eingangsbereich im Sockelgeschoss zeichnet sich durch grosse Fenster und eine Sichtbetonfassade aus. Die beiden darüberliegenden Bürogeschosse setzen auf eine verfeinerte Fenstereinteilung, eingefasst von einer sägerohen Lärchenschalung.


Bank bekennt sich zu Holz

Die Bauherrschaft äusserte klare Anforderungen im Hinblick auf die Architektur und die Auswahl des Baustoffs: «Das neue Bankgebäude widerspiegelt unsere Werte, denen wir uns verpflichtet fühlen: Bescheidenheit, Tradition, Erdverbundenheit, Familiennähe», lässt sich Mathias Berger, Vertriebsleiter Raiffeisenbank Frutigland, in einer Medienmitteilung des Instituts zum Bauvorhaben zitieren. Berger weiter: «Wir bekennen uns dabei zum Baustoff Holz und setzen ebenfalls ein Zeichen für die lange Holzbautradition in unserer Region.»


Es war der Genossenschaftsbank ein grosses Anliegen, wann immer möglich dem regionalen Handwerk den Zuschlag zu erteilen. Die lange Liste der ortsansässigen Unternehmen zeugt davon. Seien es der gesamte Holzbau oder die Sichtbetonarbeiten, für die die Zimmerleute zusammen mit dem Baumeister die Schalungen erstellten; die Zierausschnitte in der Fassadenschalung und die eingeschnitzte Jahreszahl, die an gemeinsam errichtete Neubauten erinnern; oder die fein gestalteten Schlosserarbeiten, die das Erscheinungsbild der neuen Bank vervollständigen.


Peter Allenbach von der Bärtschi Bau AG war als Projektleiter für das Gelingen der Holzbauarbeiten verantwortlich. Allenbach führte die detaillierte Holzbauplanung sowie die effiziente Umsetzung, die gemeinsam mit Holzbau Lauener sowie weiteren Fachplanern gestemmt wurde. «Im Produktionswerk der Bärtschi Bau AG waren während rund 25 Arbeitstagen vier Mitarbeitende mit der Vorfertigung beschäftigt», erzählt Allenbach rückblickend. Nahezu gleich schnell erfolgte die Aufrichte, weiss der Projektleiter. «Der anschliessende Ausbau nahm weitere 40 Tage in Anspruch.»


Haustechnik dirigiert die Planung

Der zügigen Realisation ging ein genauer Planungsprozess seitens Allenbach für die Vorfertigung der Holzbauelemente voraus. So galt es nicht nur, einen optimalen Anschluss der Holzkonstruktion an den massiven Treppenhauskern zu gewährleisten. Vor allem bei der Deckenkons­truktion war Sorgfalt gefragt. Es handelt sich um eine vorproduzierte, perforierte Holzpaneel-Akustikdecke aus Massivholz (Bresta). Diese musste, den erhöhten Anforderung der Haustechnik entsprechend, im Voraus bis ins Detail geplant und koordiniert werden – vor allem die Verknüpfung aller Komponenten und deren Steuerung. Und das bedeutete für die Holzbauplanung einen Vorlauf von rund zwei Monaten vor der Aufrichte, wie Projektleiter Allenbach erzählt: «Wir mussten schon sehr früh von den anderen Fachplanern wissen, welche Ausschnitte für die Installationen wie Elektro, Lüftung und Kühlung unsererseits zu berücksichtigen sind. Die Installationsleitungen wurden dann bei der Aufrichte gelegt – und da müssen bekanntlich alle Aussparungen exakt sein.»


Konstruktion aus Schweizer Holz

Die Konstruktion des zweigeschossigen Holzbaus setzt nahezu vollständig auf Schweizer Holz: Knapp 95 Prozent des verbauten Holzes in Stützen, Streben und Träger, Dach und Wand sind im Schweizer Wald gewachsen. Gleiches gilt auch für die rund 20 Kubikmeter der Akustikdeckenelemente. Schweizer Esche kam für die sichtbaren Unterzüge und Primärstützen in Form von Stabschichtholz zum Einsatz. Ebenfalls Schweizer Herkunft weisen die im Inneren verbauten Dreischichtplatten aus Weisstanne auf. Die Weisstanne mit ihrer ruhigen und gleichmässigen Maserung prägt den Innenausbau massgeblich. Neben ihrer schallabsorbierenden Funktion unterstützen die Deckenpaneele als Kühldecke auch das Raumklima. Die Schalung der Fassade setzt auf europäisches Lärchenholz, sägeroh. Hier kam es Allenbach bei der Planung vor allem darauf an, dass das Holz an der Fassade vor Witterung geschützt ist: «Entscheidend ist hier ein konstruktiver Holzschutz, damit das Wasser gut abfliessen kann, ob bei den Fenstern und bei den dekorativen Ornamenten. So sorgen wir für eine langlebige und schöne Holzfassade.»


«Ründe» erinnert an Bautradition

Die im Dachgeschoss die gesamte Tiefe überspannenden Träger lassen den Vergleich mit einem Dachgewölbe aufkommen. Diese Form ist auch an der Fassade sichtbar und verweist auf die Bauweise traditioneller Holzhäuser. Der als «Ründi» oder «Ründe» bezeichnete Abschluss der Dachunterseite in Form eines Bogengiebels ist prägend für die Region. Die Ründe bildet dabei die unterseitige Verkleidung des stark auskragenden Giebels, die konkav ausgeführt wird. Und daher rührt auch die Bezeichnung Ründe – abgeleitet von «rund».


Nicht nur beim Baustoff setzten die Verantwortlichen auf Nachhaltigkeit. Auch die Photovoltaikanlage auf dem Dach trägt zu einer umweltfreundlichen Stromerzeugung bei. Fernwärme kommt bei der Heizung und der Warmwasseraufbereitung zum Einsatz. Nachhaltigkeit spiegelt sich auch im Hinblick auf den Grundriss wider. So lässt die weitgehend stützenfreie Konstruktion eine flexible Raumgestaltung zu, die sich zukünftigen Anforderungen anpassen kann.
ak-b.ch, holzbau-lauener.ch


Arge Bärtschi Bau AG und Holzbau Lauener

Die in Frutigen ansässige Bärtschi Bau AG zählt rund 35 Mitarbeitende, davon vier Lernende. Der Betrieb bietet Leistungen in den Sparten Zimmerei, Dach­deckerei und Fensterbau an und verbindet dabei moderne Technik mit traditionellem Handwerk. Die ­Doppelspitze bilden Werner Zumkehr, Geschäftsinhaber und Geschäftsführer, sowie Martin Zumkehr, Geschäftsinhaber und Leiter der Produktion. Unter dem Namen «Variohaus» bietet der Betrieb als Generalunternehmung massgeschneiderte, vorgefertigte Holzelementhäuser an. Die Geschichte des Unter­nehmens geht zurück auf die Gründung 1932 durch Abraham Bärtschi. Die Arbeiten am Ersatzneubau der Raiffeisenbank hat Peter Allenbach (Bild, rechts) als Projektleiter für die Bärtschi Bau?AG ­federführend begleitet. Im selben Betrieb startete Allenbach 1986 mit der Lehre zum Zimmermann. 1998 bildete sich der Frutiger zum Vorarbeiter weiter. Nach Jahrzehnten auf Baustellen wechselte ­der heute 53-Jährige in die Projektleitung und setzt seine Fachkenntnis in der Holzbauplanung ein.
Die Holzbau Lauener wurde von Daniel Lauener (Bild, links) 1994 gegründet. Der Betrieb besteht heute ­aus rund zehn Mitarbeitenden, die Zimmereiarbeiten, Neu- und Umbauten, Elementbauten sowie Renova­tionen und Dachdeckerarbeiten anbieten. Parallel dazu führt Launer auch eine Immobilien AG, die schlüsselfertige Ein- und Mehrfamilienhäuser erstellt und verkauft. variohaus.ch, holzbau-lauener.ch


Bürogebäude Raiffeisen Frutigland

Bauherrschaft: Raiffeisen Frutigland Genossenschaft, Frutigen (BE)
Fertigstellung: 2023
Architektur: Akkurat Bauatelier AG, Thun (BE)
Baumanagement: Andreas Mürner Architekten GmbH, Frutigen
Holzbau, Planung und Ausführung: Arge Bärtschi Bau AG und Holzbau Lauener, beide Frutigen
Holzbau: Brügger HTB GmbH, Frutigen; Neue Holzbau AG, Lungern (OW)
Schreinerei: Arge Sarbach AG, Frutigen, Zurbrügg und Trachsel AG, Frutigen; Holzbau Burn AG, Adelboden (BE); Schreinerei Bärtschi, Adelboden; Pieren + Co. AG, Adelboden
Landschaftsarchitektur: Extra Landschaftsarchitekten AG, Bern
Bauingenieur: Ramu Ingenieure AG, Frutigen
Holzbauingenieur: Martin Rösti Ingenieure GmbH, Frutigen
Elektroingenieur: Markus Moser AG, Frutigen
HLKS-Ingenieur: Energieschmiede GmbH, Reichenbach im Kandertal (BE)
Bauvolumen: Bank 2617 m3; Einstellhalle 790 m3
Baukosten Anlagekosten BKP 1–9: CHF 7,5 Mio.