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01/24 Holzbau für Helden

BEWEGEN

Bühne frei fürs Handwerk!

Auf der Bühne Aarau ging es beim Theaterstück «Baustelle» zünftig zur Sache. Bauarbeiter – darunter auch vier Zimmermänner – schlüpften in die Rolle von Schauspielern und zeigten, mit welchen Herausforderungen und Vorurteilen sie auf dem Bau zu kämpfen haben. Das Stück stiess auf grosse Begeisterung und geht im März in Bern in Verlängerung.

Interview Susanne Lieber Bilder Rachel Bühlmann, Chris Iseli (Porträt)

 

Herr Egloff, Sie sind Regisseur und Theaterpädagoge an der Bühne Aarau. Wie entstand die Idee für das Theaterstück «Baustelle», ein Projekt mit Handwerkern als Schauspieler?
Das Ganze ist im Rahmen des Formats «Bühne Aarau Ensemble» entstanden. Das Ensemble besteht jedes Jahr aus anderen Laiendarstellern, die einen persönlichen Bezug zu einem bestimmten Thema haben. Zusammen mit ihnen wird dieses Thema erarbeitet. Zuletzt ging es um Menschen mit Depressionen – dieses Mal um die Herausforderungen, Vorurteile und Probleme auf dem Bau.

Was hat Sie am Thema gereizt?

Am Anfang war es die Frage: Wie arbeiten Menschen aus verschiedenen Berufen und mit unterschiedlicher Herkunft, Sprache und Bildung eigentlich zusammen? Wie gehen sie auf dem Bau miteinander um? Dabei standen Themen wie Hierarchien, Zeitdruck, Vorurteile und unterschiedliche politische Ansichten, die zu grossen Konflikten führen können, im Vordergrund. Im Theater geht es letztlich ja immer um Konflikte, das ist unsere DNA. Im Austausch mit der Gruppe kam dann aber noch ein ganz anderer spannender Aspekt dazu: das Thema Anerkennung und Berufsstolz.

Was war Ihre Aufgabe beim Erarbeiten des Theaterstücks?

Normalerweise führe ich Regie, aber dieses Mal lag mein Schwerpunkt mehr auf der Textebene. Die Regie haben zwei ausgebildete Schauspieler geführt: Robert Baranowski und Benjamin Spinnler, der auch gelernter Maurer ist. Er bringt also Erfahrung aus beiden Berufen mit – und kennt die jeweiligen Klischees und Vorurteile: Die Schauspielerei wird oft mit Glamour verbunden und daher bewundert, das Handwerk hingegen findet meist weniger Anerkennung in der Gesellschaft.

Wie wurden die Bauarbeiter für das Projekt rekrutiert?

Um die Ausschreibung möglichst breit zu streuen, haben wir diese in verschiedene Sprachen übersetzt und Baufirmen im Aargau kontaktiert, beim Baumeisterverband angefragt und Flyer verteilt.

Wie schnell ging es, bis sie Ihr Ensemble zusammenhatten?

Etwa zwei Monate. Zum Infoanlass kamen elf Personen, acht haben dann beim Projekt mitgemacht.

Wie wird ein Theaterstück mit Laien er­arbeitet? Wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben zunächst mit allen ein Interview über ihre Arbeit auf dem Bau geführt und sie gefragt, welche Themen sie umtreiben. Hierfür haben wir sie zu Hause oder an ihrem Arbeitsplatz besucht. Es hat sich dabei herausgestellt, dass die Leute eigentlich weniger über Zeitdruck sprechen wollen oder darüber, wie anstrengend es ist, bei Hitze arbeiten zu müssen. Es ging ihnen vor allem auch darum, dass sie zwar einerseits stolz darauf sind, was sie auf dem Bau leisten, andererseits manche aber auch Scham dabei empfinden, zu sagen: Ich bin Handwerker. Die berufliche Anerkennung in der Gesellschaft ist ein wichtiges Thema im Stück – und ein universelles. Viele Menschen fragen sich: Was denken andere über mich, wenn ich sage, was ich arbeite?

Die Interviews waren demnach die Basis für das Stück?

Ja, ein Grossteil des Stücks sind Eins-zueins-Auszüge aus den Interviews. Das wurde mit den Schauspielern entsprechend vorab besprochen. Ich bin ein grosser Fan davon, wenn ein Text so geschrieben ist, wie er auch gesprochen wird – wenn Sätze nicht beendet werden oder wenn jemand nach den richtigen Worten sucht?… Wenn häufiger «äh» gesagt wird. Genau darin liegt in diesem Stück die besondere Qualität. Einer der Schauspieler, es war übrigens ein Zimmermann, hat aus seinem Interviewtext sogar einen Song gemacht. Diesen begleitete er dann mit der Gitarre. So etwas ist natürlich ein Geschenk für ein Stück!

Die Entstehung des Theaterstücks war also ein dynamischer Prozess, bei dem sich die Schauspieler einbringen konnten?

Richtig. Nachdem alle voneinander die Texte gelesen hatten, entstanden viele Diskussionen. Daraus hat sich das Stück dann nochmals weiterentwickelt, die Texte haben sich geändert und das Ganze wurde vielschichtiger.

Mit fünf ausgebildeten Zimmermännern war die Holzbaubranche beim Stück gut vertreten.

Ja, es hat nur so gewimmelt von Zimmermännern! (lacht) Neben den vier Schauspielern Thomas Flückiger, Dave Schellenberg, Saravana Völlmy und Oliver Wetzel ist auch unser Bühnenbildner Benni Küng ausgebildeter Zimmermann.

Was war besonders speziell, mit Handwerkern zu spielen?

Der absolute Wahnsinn war, dass wir keine zusätzliche Mannschaft zum Auf- und Abbauen des Bühnenbildes gebraucht haben! Die Männer haben alles selbst gemacht. Zudem waren sie alle sehr belastbar. Wir haben mit ihnen so intensiv proben können, wie es sonst kaum mit einem Ensemble machbar ist. Und es hat sich gezeigt: Menschen, die auf dem Bau arbeiten und dort über den Maschinenlärm hinwegbrüllen können, bringen schon eine ziemlich gut ausgebildete Stimme mit. Das konnten wir prima nutzen.

Welche Szene mögen Sie besonders gern in «Baustelle»?

In einer Szene – es ist gerade Znüni-Pause – geht es um die Vorurteile der Berufe untereinander. Darin wird kein gutes Haar am anderen gelassen, jeder bekommt sein Fett weg: Zimmermänner, Elektromonteure, Gipser, Sanitärinstallateure?… Die Szene ist einerseits sehr lustig, sagt aber auch viel über uns Menschen aus, wie wir trotz gegenseitiger Vorurteile miteinander einen Umgang finden.

Die nächsten Vorstellungen finden in der Reitschule Bern statt: vom 21. bis 23. März um jeweils 20 Uhr. Infos und Karten:

buehne-aarau.ch

 

"BAUSTELLE" - Wenn Zimmermänner Theater spielen...

Interviews: Susanne Lieber / Bilder: Rachel Bühlmann (Bühne); zVg (Porträts)

Beim Theaterstück BAUSTELLE geht es zünftig zur Sache. "Echte" Bauarbeiter (darunter gleich mehrere Zimmermänner!) schlüpfen in die Rolle von Schauspielern. Doch wie nähert man sich als Handwerker der Rolle als Bühnenschauspieler? Wo liegen die grössten Herausforderungen? Die drei Zimmermänner Thomas Flückiger, Dave Schellenberg und Oliver Wetzel berichten wie sie ihren Rollentausch erlebt haben.

Und hier schon mal zum Vormerken:
Die nächsten Vorstellungen finden in der Reitschule Bern am 21. bis 23. März (jeweils 20 Uhr) statt. Infos und Karten: buehne-aarau.ch

 

 

Thomas Flückiger

Herr Flückiger, hatten Sie bereits Bühnenerfahrung?
Nein. Ich hatte mich mal als Gewerbe- und Bauschullehrer versucht - mit mässigem Erfolg vor dem "Publikum": Ich war zu jung und vor allem zu unsicher.

Was hat Sie gereizt, beim Theaterstück BAUSTELLE mitzumachen?
Anfänglich hat mich wohl am meisten die Entstehung eines solchen Stücks interessiert. Wichtig war sicherlich auch meine "Rückkehr" nach Aarau. Ich hatte früher ein paar Jahre dort gearbeitet - das Städtchen und dessen Grösse passten mir. Das Musikstück "I love Paris" von Cole Porter in der Version von Helen Merrill und Gordon Beck (Paris kann hier mit Aarau ersetzt werden) beschreibt dies wohl am schönsten. Und mit der Zeit merkte ich, dass dieses Theaterstück für mich eine wunderbare Möglichkeit ist, mich vom Berufsleben und auch von vielen Freunden und Bekannten (mit oder ohne Bezug zum Bau) zu verabschieden. Ganz nach dem Motto: "Schreiben Sie ihren Nachruf, bevor es andere tun" (von Gregor Eisenhauer). Das Theater bot hierfür eine wunderbare Möglichkeit. Ich fand das besser als ein übliches Fress- und Saufgelage zum Abschied.

Lustig war der Beginn des Ganzen: Ich hatte mir das Figurentheater "Mit der Zeit muss man gehen" (DAKAR-Produktion, Zürich) angesehen und hatte den Flyer zum Stück BAUSTELLE mitgenommen. Ich schrieb dann einfach eine Mail an Projektleiter Jonas Egloff. Irgendetwas - eigentlich hatte ich nur ein bisschen meine Meinung zum Thema Bau kundtun wollen. Mir kam dabei nicht der geringste Gedanke in den Sinn, beim Theaterstück mitzumachen. Jonas rief dann aber am nächsten Tag an - und so beganns...

Was war für Sie dabei die grösste Herausforderung?
Der "drohende" Auftritt natürlich. Bei meiner Zusage schrieb ich: "Bin nicht bühnentauglich!". Antwort von Jonas Egloff: "Das kriegen wir hin..."

Haben Sie persönliche Ideen bei der Erarbeitung des Stückes eingebracht?
Ja, denn alle Texte basieren auf den Interviews von Jonas Egloff mit uns Spielern. Um ein Beispiel zu nennen (kommt aber im Stück so nicht mehr vor): Im Interview sagte Oliver: "Der Treppenbau ist die Königsdisziplin des Zimmerhandwerks". Ich hingegen meinte in einem Interview: "Wen interessiert denn sowas?" Nebeneinandergestellt werden die beiden Sätze zum Dialog. So entwickelte sich das Stück.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Handwerkern erlebt?
Am Anfang war ich mir dessen zu wenig bewusst: Auf dem Bau ist es möglich, einen Arbeiter zu ersetzten, auch wenns manchmal zwei dafür braucht. Manchmal reicht aber auch ein "halber". Bei diesem Stück ging das nicht - es steht und fällt mit jedem Einzelnen und funktioniert nur durch das Miteinander.

Könnten Sie sich vorstellen, auch künftig als (Laien-) Schauspieler auf der Bühne zu stehen?
Ein Stück über Geld hätte mich interessiert. Dafür hätte ich nochmals "den Arsch zusammengekniffen". Die Auseinandersetzung mit Bänkern wäre mir die Zeit wert.

 

Oliver Wetzel

Herr Wetzel, hatten Sie bereits Bühnenerfahrung? Als ich etwa sieben Jahre alt war, spielte ich in einem Jungschar-Theater einen italienischen Gigolo-Pfarrer mit nach hinten gegeltem Haar. Und in der Primarschule hatte ich mal mit meiner Klasse das Stück "Weit übers Meer" aufgeführt. Ich war einer der zwei Wellenschwinger. Unser Job bestand darin, ein grosses, langes Tuch in harmonischer Gleichmässigkeit hoch und runter über die Bühne zu schwingen. Mit mässigem Erfolg. Leider war uns das Tuch während der Aufführungen immer wieder aus den Händen geglitten. Unsere Lehrerin ist fast an uns verzweifelt.

Was hat Sie gereizt, beim Theaterstück BAUSTELLE mitzumachen?
Zum einen die Chance, es dieses Mal besser zu machen. Zum anderen aber auch die Möglichkeit, neues Potenzial in mir zu entdecken. Das Thema des Theaterstücks war ja auf mich und meine Kollegen zugeschnitten.

Was waren für Sie dabei die grössten Herausforderungen?
Den Text auswendig zu lernen, die theatrale Sprache, den Rhythmus beim Dialog zu halten, authentisch zu bleiben und nicht zu "spielen".

Haben Sie persönliche Ideen bei der Erarbeitung des Stückes eingebracht?
Ja, einige! Unsere Texte basieren ja alle auf unseren Interviews. Wir wurden angehalten, die von der Regie daraus entwickelten Dialoge ebenfalls mitzugestalten. Mein spontanes Tänzchen mit der Suva-Unfallpuppe hat uns dazu inspiriert, die Puppe noch mehr ins Stück zu integieren. Und zu allem gibt es auch musikalische Begleitungen mit Gitarre und Gesang.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Handwerkern erlebt?
Wir gingen alle durch einen langen Lernprozess - wir waren ja alle absolute Anfänger. Unsere Lehrer gaben sich nie mit neunzig Prozent Einsatz zufrieden, sondern verlangten immer Hunderprozent von uns. Es wurde viel gelacht, geschrien, geschwitzt, und nicht selten flossen auch mal Tränen. Dieser emotionale Austausch schweisste uns zusammen.

Könnten Sie sich vorstellen, auch künftig als (Laien-) Schauspieler auf der Bühne zu stehen?
Der Wunsch wäre sicher da. Die Frage ist nur, wie gut ich in neue Rollen eintauchen könnte. Wie gesagt, bei diesem Stück sind das alles unsere eigenen Stories. Wir spielen nichts, sondern zeigen uns von unserer ehrlichsten Seite.

 

 

 

David Schellenberg

Herr Schellenberg, hatten Sie bereits Bühnenerfahrung?
Nein, ich hatte noch keine Erfahrung.

Was hat Sie gereizt, beim Theaterstück BAUSTELLE mitzumachen?
Ich wollte etwas Neues ausprobieren. Das Thema hat mich interessiert, da es mit meinem Berufsstolz zu tun hat. Und ausserdem war das für mich wie ein Männerabend mit meinen Freunden, Oliver Wetzel und Saravana Völlmy.

Was war für Sie dabei die grösste Herausforderung?
Ich hatte am Anfang keine Ahnung, was es bedeutet, in einem Theaterstück mitzumachen und wie viel Aufwand das ist. Meine grösste Herausforderung war das Üben zu Hause, also ausserhalb der Gruppe, und dranzubleiben.

Haben Sie persönliche Ideen bei der Erarbeitung des Stückes eingebracht?
Ja, beispielsweise die Idee für ein Klavierstück.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Handwerkern erlebt?
Am Anfang war alles eher steif. Bis wir uns näher kennengelernt haben bei Pide und Bier nach der Probe. Danach habe ich die Zusammenarbeit mit den anderen sehr persönlich, emotional, lustig, teamorientiert und ernst erlebt. Es entstand eine enge Verbindung.

Könnten Sie sich vorstellen, auch künftig als (Laien-) Schauspieler auf der Bühne zu stehen?
Ja, mittlerweile könnte ich es mir durchaus vorstellen, nochmals an einem Theaterstück mitzumachen. Aber wieder mit einem Thema, das mich interessiert. Vielleicht eine Fortsetzung von BAUSTELLE...

Was haben Sie von diesem Theaterprobjekt mitgenommen?
Ich habe vieles an mir entdeckt: wie ich mich ausdrücke, mich präsentiere und wie ich wirke. Von Jonas Egloff (Projektleitung und Texte), Benjamin Spinnler und Robert Baranowski (beide Regie) und Lorena Cipriano (Assistenz) wurde ich dabei gut begleitet. Ich nehme neues Wissen und Freundschaften mit - und den Mut, Neues wie meine Selbstständigkeit zu wagen.

 

 

 

 

 

 

David Schellenberg

Name: David Schellenberg
Alter: 32 Jahre
Geburtsort: Winterthur
Werdegang: Zimmermann EFZ
Betrieb: selbstständig seit Juli 2023 (Schellenberg Zimmermann GmbH, Obersiggenthal, AG)


Oliver Wetzel

Name: Oliver Wetzel
Alter: 31 Jahre
Geburtsort: Baden (AG)
Werdegang: Zimmermann, Holzbautechniker, Berufsschullehrer Zimmerleute EFZ
Betrieb: Peterhans, Schibli & Co. (peterhans-schibli.ch)


Thomas Flückiger

Name: Flückiger Thomas
Alter
: 68 Jahre
Geburtsort: Schöftland (AG)
Werdegang: Zimmermannslehre, Magaziner, ZimmermeisterBetrieb: früher selbstständig (Kleinstbetrieb mit max. 5 Angestellten)
Berufswunsch als Kind: Strassenkehrer


Jonas Egloff

Geboren ist Jonas Egloff 1986 in Baden. Sein Studium als Theater­pädagoge absolvierte er an der ZHdK in Zürich. Neben seinem festen Engagement als Regisseur und Thea­terpädagoge an der Bühne Aarau (AG) ist er auch freischaffend tätig, zuletzt am Staatsschauspiel in Dresden (DE).


Zimmermänner werden Schauspieler

Wie nähert man sich als Handwerker der Rolle als Bühnenschauspieler? Wo liegen die grössten Herausforderungen? Die drei Zimmermänner Thomas Flückiger, Dave Schellenberg und Oliver Wetzel berichten in Interviews auf unserem Blog, wie sie ihren Rollentausch erlebt haben: spaene.ch