07/2018 Perspektiven
BILDEN
Fachkräfte finden und halten
Mitarbeiter vom Fach sind gefragt – doch sie sind schwer zu finden. Ohne gut ausgebildete Fachleute stimmen im Holzbau weder die Qualität noch die Nachkalkulation. Mitarbeitende mit Fachwissen werden auf allen Stufen gebraucht, vom Lehrling bis zum Planer, in der Fertigung wie im Vertrieb. Es gibt Unternehmen, die dafür keine Stelleninserate schalten müssen – sie erhalten so viele Initiativbewerbungen, dass sie auswählen können. Wie machen die das?
TEXT UND GRAFIK STEPHAN ZÜRCHER
Die Projekte in den Holzbaubetrieben werden immer komplexer und damit anspruchsvoller; die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen wird vielschichtiger. Damit der Kunde das erwartete Produkt erhält und das Unternehmen eine existenzsichernde Rendite erreicht, müssen im Unternehmen viele kleine Rädchen sauber ineinandergreifen. Um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen, sind bestens aufeinander abgestimmte Prozesse erforderlich. Dafür werden gute Mitarbeitende gebraucht und diese wiederum sind nur mit guter Führung zu (er)halten.
Um geeignete Mitarbeitende zu finden, gibt es für Unternehmen nur wenige Möglichkeiten; sie können selber ausbilden, die Fachkräfte anlocken oder auch abwerben. Die Methode des Abwerbens ist fragwürdig und fördert selten ein gutes Arbeitsklima im eigenen Unternehmen. Mitarbeitende, die sich abwerben lassen sind fragwürdig, denn diese Mitarbeitenden sind auch im eigenen Unternehmen eher wieder weg.
Monetäre Anreize halten nicht lange
Mitarbeitende anlocken kann mit Topbedingungen funktionieren. Doch wie sehen diese Bedingungen aus? Hier ist es wichtig, dass sich das Unternehmen der Werthaltung der jetzigen und der potenziellen Mitarbeitenden bewusst ist. Es gibt Arbeitnehmer, die grossen Wert auf deutlich mehr Lohn legen. Wie jedoch die Erfahrung zeigt, hält ein rein monetärer Anreiz nicht lange an. Wenn es nur das Geld ist, was sie anlockt, dann ziehen diese Mitarbeiter aus demselben Grund auch gerne weiter. Mit guten Sozialleistungen werden eher ältere Mitarbeitende angesprochen. Generell könnte ein Firmenwagen, ein Firmen-Mobile-Abo für die private Verwendung, Homeofficetage oder Teilzeitarbeit interessanter sein. Doch reicht das aus?
Bei einer Befragung gaben Mitarbeitende an, dass sie bei ihren derzeitigen Arbeitgebern aus folgenden Gründen bleiben:
- Team-Spirit: «Mit diesen Kollegen/Freunden macht es Spass, zusammenzuarbeiten.»
- Entscheidungsfreiraum: «Hier werde ich gefragt, hier kann ich mitentscheiden.»
- Perspektive: «Ich kann hier Verantwortung übernehmen und habe die passende Unterstützung.»
- Transparenz: «Ich werde darüber informiert, wohin sich das Unternehmen entwickelt.»
- Wertschätzung: «Ich erhalte Feedback, meine Leistung wird gesehen.»
- Arbeit: «Die abwechslungsreiche Arbeit und die Herausforderungen brauche ich einfach.»
- Führung: «Wir arbeiten im Team auf Augenhöhe und sind als Team agil organisiert.»
- Lebensqualität: «Ich schätze den kurzen Arbeitsweg und die Teilarbeitszeit.»
Der Mitarbeiter eines Unternehmens hat es wie folgt auf den Punkt gebracht: «Wir arbeiten hier im Team zusammen. Das ist, als würde 1 + 1 = 3 ergeben. Ein Blickkontakt genügt und der Kollege weiss, was jetzt gerade ansteht. Das Zusammenarbeiten macht Spass und am Abend sind wir alle stolz auf die Ergebnisse.»
Im richtigen Mass fordern
Von den Unternehmern ist oft folgende Aussage zu hören: «Wenn ich die Mitarbeitenden darin unterstütze, eine Weiterbildung zu machen, dann verlassen sie meist nach drei Jahren das Unternehmen wieder.» Dies ist meistens bei jüngeren Mitarbeitenden der Fall. Im ersten Jahrzehnt nach der Ausbildung wollen sie Erfahrungen in verschiedenen Betrieben und Regionen sammeln, vielfach auch im Ausland. Warum nicht gleich ein Gastjahr in einem anderen Unternehmen einplanen? Der Mitarbeitende gewinnt dadurch Klarheit über seine Stärken und Interessen. Für langjährige Mitarbeitende sind Zusatzaufgaben und Verantwortlichkeiten die nächste Herausforderung.Im Mitarbeitergespräch sollte dann herausgefunden werden, wo die Potenziale liegen, um dann entsprechend eine neue Funktion anzubieten. Es erfordert Fingerspitzengefühl, damit das Angebot weder zu früh noch zu spät erfolgt. Somit liegt es stark in der Hand des Arbeitgebers, seine Mitarbeitenden zu entwickeln und im richtigen Mass zu fordern.
Weiterbildung unterstützen
Die beste Möglichkeit, um Mitarbeitende zu binden, ist, sie selber auszubilden. Es gibt Firmen, die von ihren Mitarbeitenden eine höhere Menge an Ausbildungseinheiten fordern, als dies der Gesamtarbeitsvertrag GAV vorsieht, zum Beispiel 50 Stunden pro Jahr. Gute Erfahrungen gibt es mit einem einheitlichen Angebot für alle Mitarbeitenden, zum Beispiel für 100 Stunden Weiterbildung und einen Grundbeitrag des Arbeitgebers für die Ausbildungskosten. Dies können bei einem Beschäftigungsgrad von hundert Prozent beispielsweise pro Jahr 1500 Franken sein (respektive 3000 Franken für einen Kadermitarbeitenden). Zunächst klingt das nach viel Geld, ist aber weitaus günstiger als die rund 100?000 Franken, die für das Suchen und Einarbeiten eines neuen Mitarbeiters benötigt werden.
Loyalität lässt sich nicht kaufen
Viele Unternehmen sind nach der Finanzierung einer Weiterbildung versucht, die nun gut ausgebildeten Mitarbeitenden mit Klauseln und Verträgen ans Unternehmen zu binden, um möglichst lange von den Investitionskosten zu profitieren. Die Erfahrung zeigt, dass dies meist nicht funktioniert und die Abwanderung dadurch nicht verhindert werden kann. Es wünschen sich doch alle die Freiheit, und mit einer Kette am Fuss wird viel eher nur noch Dienst nach Vorschrift gemacht. Loyalität lässt sich nicht kaufen. Die Frage sollte stattdessen sein, was den Mitarbeitenden auf ihrem Entwicklungsweg dient. Zwar können die Mitarbeitenden die Weiterbildungskosten in der Steuererklärung geltend machen. Doch kaum eine Weiterbildung kann mit einem 100-Prozent-Pensum über längere Zeit durchgehalten werden. Somit wäre das Angebot von Teilzeitarbeit – jedoch mit der Option, dass der Lohnausfall durch den Arbeitgeber reduziert wird – eher eine Unterstützung. In einigen Unternehmen gibt es auch private zinslose Darlehen für die Mitarbeitenden, damit finanzielle Engpässe überbrückt werden können.
Inhouse-Weiterbildung
Ein interessantes Modell für Unternehmen ist die Inhouse-Weiterbildung. Hierbei muss es nicht nur um fachliche Themen wie Arbeitssicherheit, Umgang im Notfall oder Brandschutz gehen, sondern auch Themen wie Organisation, Führung, Coaching, Produktionssteuerung und Prozessverständnis sind interessante Ansätze. Dabei werden mit geringen Kosten viele Mitarbeitende erreicht. Die Unternehmer können ihre Mitarbeitenden damit anders erleben und erhalten die Chance, deren Entwicklungspotenzial früher zu erkennen. Die Erfahrung zeigt auch, dass eine Weiterbildung mit Kollegen auf der gleichen Führungsstufe (im gleichen Fachgebiet) und mit konkreten Beispielen eine viel bessere Lernkurve ergibt. In der Gruppe lassen sich grössere Veränderungen besser umsetzen, als wenn ein Einzelkämpfer diese stemmen muss.
Firmen-Gruppen-Modell
Bei der Spezialistenausbildung wird in Zukunft das Firmen-Gruppen-Modell Einzug halten. Dieses Modell bietet sich an, wenn einzelne Unternehmen je nur ein oder zwei Personen ausbilden möchten, aber dennoch auf branchenspezifische Bedingungen und Gegebenheiten Wert legen. So könnten sich beispielsweise fünf bis acht Unternehmen zusammenfinden, um gemeinsam eine spezifische Weiterbildung zu lancieren. Dieses Prinzip funktioniert für Einkaufsspezialisten, Logistiker, Lean-Manager und Kata-Schnupperkurse.
Eigene Führung hinterfragen
Wenn Mitarbeitende immer wieder abwandern, sollte ein Unternehmer auch sein eigenes Führungsverhalten, die Unternehmenskultur und die Organisationsstruktur hinterfragen. «Nach 18 Monaten hat jeder die Mitarbeiter, die er verdient», sagte ein HR-Profi. Wer also nicht mehr Personal suchen, sondern finden will, muss vielleicht bei der Führung der eigenen Mitarbeitenden beginnen und einen ehrlichen Blick auf sich selbst werfen.
Der Autor
Stephan Zürcher ist Holzingenieur und seit sechs Jahren für Schuler Consulting in der Optimierung und Planung von Holzbau- und Innenausbaubetrieben tätig. schuler-consulting.com