05/2025 Hochprozentig
BAUEN
Knifflige Logistik
Mit dem Mehrfamilienhaus «La Vetta» wurde im letzten Jahr in Andermatt ein weiterer Luxusbau fertiggestellt. Mitten im neu entstandenen Ortsteil «Andermatt Reuss» gelegen – hier drängen sich bereits etliche Gebäude auf dem kostbaren Baugrund –, blieb nicht viel Platz für Baustellenmanöver. Ein hoher Vorfertigungsgrad war demnach unerlässlich.
Text Susanne Lieber Bilder SLIK Architekten GmbH; Andermatt Swiss Alps AG; Gianmaria Beer Pläne SLIK Architekten GmbH
Rund 1,7 Milliarden Schweizer Franken investierte bislang die Andermatt Swiss Alps AG respektive der ägyptische Milliardär Samih Sawiris in das Megaprojekt Andermatt. Es umfasst sechs Luxushotels, 42 Apartmenthäuser mit Eigentumswohnungen, 28 Villen, ein öffentliches Hallenbad, Kongressräume, eine Konzerthalle, ein 18-Loch-Golfplatz und die neue Infrastruktur für das erweiterte Skigebiet (Andermatt-Sedrun-Disentis). Gestartet wurde das Bauprojekt – die Transformation des Ortes zu einer exklusiven Winter- und Sommerdestination – bereits 2009 mit dem Fünf-Stern-Deluxe-Hotel «The Andermatt Chedi» im alten Dorfkern von Andermatt. In der Zwischenzeit ist sogar ein komplett neuer Ortsteil – Andermatt Reuss – entstanden, in dem unter anderem zwei Mehrfamilienhäuser in Holzsystembauweise errichtet wurden. Beide Gebäude realisierte das Holzbauunternehmen Renggli AG. Das Haus «Pazola» wurde 2023 fertiggestellt, im letzten Jahr folgte das siebengeschossige Gebäude «La Vetta», direkt an der Furkagasse, einer exklusiven Shoppingmeile mit Restaurants und Bars. Es umfasst Ladenflächen sowie 18 Eigentumswohnungen mit 3,5 bis 5,5 Zimmern, die sich über die sechs Obergeschosse verteilen. Ergänzend dazu stehen den Bewohnerinnen und Bewohnern gemeinschaftlich nutzbare Bereiche zur Verfügung, genauer gesagt ein Spa mit Sauna, Dampfbad und Entspannungsräumen sowie ein Fitness-Gerätepark.
Wenig Zeit, wenig Platz
Die Planung und die Fertigstellung des Mehrfamilienhauses waren kein leichtes Unterfangen. Die grössten Herausforderungen lagen zum einen am engen Zeitkorsett für die Montage des Holzbaus und zum anderen an den äusserst engen Platzverhältnissen auf der Baustelle. Die Schwierigkeit beim Terminieren der Montageabläufe auf einer Höhe von 1444 m ü. M. lag vor allem am Wetter. Der Winter ist launisch, und jederzeit muss mit unvorhersehbaren Wetterkapriolen gerechnet werden. Das Untergeschoss mit Tiefgaragen, Kellern und Technikräumen – das gesamte Resort steht auf einem massivem Betonunterbau –wurde bereits im Vorjahr fertiggestellt. Im März 2023 folgten die Betonarbeiten für das Erdgeschoss sowie den Treppenhauskern mit Liftschacht. Mitte Juli, als das Wetter dem Bauteam eine Verschnaufpause gönnte, konnte dann endlich mit der Montage des Holzbaus begonnen werden. Innerhalb von nur 60 Arbeitstagen war der Bau dann «dicht».
«Wir hatten jeweils ein Wochenziel definiert, das wir erreichen mussten», erklärt Projektleiter Roger Gruber von der Renggli AG zum zackigen Errichten des Holztragwerks. Die Erstellung eines Geschosses wurde dabei jeweils in vier Etappen eingeteilt, wobei jederzeit kurzfristige Wetterumbrüche einkalkuliert werden mussten. Um die Holzkonstruktion entsprechend zuverlässig vor der Witterung zu schützen, ist ein leicht geneigtes Notdach aus Bodenelementen entwickelt worden. Diese wurden auf die fertigen Geschossdecken aufgelegt. Wie launisch das Wetter auf dem Hochplateau sein kann, kommentiert Roger Gruber wie folgt: «Das Wetter verändert sich sehr schnell. Sobald sich der Himmel über der nahegelegenen Schöllenen-Schlucht verdunkelt, kann man davon ausgehen, dass es innerhalb von 30 Minuten in Andermatt regnet. Wir hatten allerdings Glück und haben die gesamten Holzbauarbeiten trocken durchgebracht.» Dass der Bau insgesamt sehr reibungslos und routiniert erfolgte, ist dabei nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass zuvor schon das Haus «Pazola» in derselben Montageteam-Konstellation fertiggestellt wurde. «Wir hatten also schon gewisse Erfahrungswerte», fügt der Projektleiter an. Zumal jeder Bereitschaft zeigte, dass es abends auch mal länger werden konnte. Denn eines war unumstösslich: Das Haus musste fertig sein, bevor der erste Schnee fällt. Petrus meinte es gut mit dem Vorhaben, und das trockene Wetter verschaffte dem Projekt einen unverhofften Vorsprung: Deadline wäre Ende November 2023 gewesen, fertig war der Holzbau – inklusive eingedeckten Dachs – bereits zwei Wochen zuvor.
Ein Holzbau mit Anspruch
Insgesamt erstreckt sich das Tragwerk mit Holz-Beton-Verbunddecken über sechs Obergeschosse. Die Wohnungen direkt unter dem sternförmigen Satteldach sind als Maisonette-Penthouse-Wohnungen ausgeführt, wobei eines besonders ins Auge fällt: die dicken Balken des Steildachs, das ebenfalls im Werk der Renggli AG vorproduziert wurde. Die Dimensionierung ist hierbei der hohen Schneelast geschuldet, mit der in dieser alpinen Lage gerechnet werden muss. Die Höhe in den Bergen spielte beim Bau aber auch anderweitig eine entscheidende Rolle, und zwar hinsichtlich der Verglasungen. Um einen möglichst hohen Vorfertigungsgrad der Holzbauteile zu erreichen, wurden auch die Fenster (Dreifach-Verglasungen mit Fichtenrahmen) bereits ab Werk in die Fassadenelemente integriert. Eines galt es dabei zwingend zu berücksichtigen, um Spannungsrisse aufgrund der Höhenlage von Andermatt zu vermeiden: Nach Fertigstellung der Fenster mussten diese für den Höhendruckausgleich innerhalb von zehn Tagen auf dem Hochplateau ankommen. Dieser Zeitraum umfasste die Fahrt von der Fensterfabrik bis zur Renggli AG in Schötz, den Einbau in die Fassadenelemente und den Transport nach Andermatt. Zehn Tage, nicht mehr. Für die logistische Planung bedeutete dies, dass in Andermatt ein Platz zur Zwischenlagerung der Pritschen für die Aussenwandelemente gefunden werden musste. Direkt an der Baustelle gab es keine Möglichkeit, deshalb wich man auf einen Bereich etwas abseits aus.
Die äusserst knappen Platzverhältnisse auf der Baustelle machten das Bauprojekt – genauso wie der eng gesteckte Zeitrahmen – zur Knacknuss. Zum Hantieren war kaum Spielraum. Warum ausgerechnet hier von aussen nach innen gebaut wurde – das Haus «Pazola» befindet sich im äusseren Bebauungsbereich des neuen Ortsteils und wurde früher fertiggestellt – ist nicht nachvollziehbar. Aber was auch immer der Grund war, Fakt ist: Die Zufahrtsstrassen zum Haus «La Vetta» waren sehr eng und setzten eine minutiöse Vorplanung der Pritschenlieferungen voraus.
Architektonischer Schmelztiegel
Insgesamt wurden 30 nationale und internationale Architekten damit beauftragt, den 42 neuen Apartmenthäusern in Andermatt jeweils ein individuelles Gesicht zu verleihen. Die gestalterische Bandbreite ist entsprechend gross: So greift beispielsweise ein Haus das Thema Fassadenmalerei auf und lehnt sich motivisch an historische Legenden an, ein anderes Haus verweist auf typische Elemente des Schweizer Strickbaus. «La Vetta» – entworfen vom Zürcher Büro SLIK Architekten – wird durch seine Holzfassade mit gerundeten Wandelementen charakterisiert, was bautechnisch mit einem gewissen Mehraufwand verbunden war. Dazu Projektleiter Roger Gruber: «Die runden Elemente wurden dreifach mit vorgebogenen Gipsfaserplatten beplankt. Konstruktiv war das deutlich schwieriger, als mit geraden Wänden zu arbeiten.» Selbstredend, dass jene Bauteile ebenfalls vorgefertigt zur Baustelle transportiert wurden.
Die Fassade ist von der Renggli AG wasserdicht auf die Baustelle geliefert worden, also mit Folie und der ersten vertikalen Lattung für die hölzerne Aussenschicht. Finalisiert wurden die Fassadenelemente dann von der Otto Schuler Holzbau GmbH, die als Witterungsschutz eine vertikale Holzverschalung mit entsprechender Konterlattung aufbrachte. andermatt-swissalps.ch, schulerholzbau.ch, slik.ch
Mehrfamilienhaus «La Vetta»
Projekt: Neubau mit 18 Eigentumswohnungen und Gemeinschafts- sowie Ladenflächen im Erdgeschoss
Fertigstellung: 2024
Bauherrschaft: Andermatt Swiss Alps AG, Andermatt (UR)
Architektur: Slik Architekten GmbH, Zürich (Projektleitung: Steffen Lemmerzahl)
Totalunternehmer: Source Procurement SA, Massagno (TI)
Holzbauingenieur: Pirmin Jung Schweiz AG, Sursee (LU) (Projektleitung Kevin Straub)
Holzbau: Renggli AG, Schötz (LU) (Projektleitung Holzbau Roger Gruber mit Timon Sager)
Holzfassade: Otto Schuler Holzbau GmbH, Schattdorf (UR) (Projektleitung Claudio Zurkirchen) Konstruktion/Tragwerk (Obergeschosse): Holzsystembau mit betoniertem Kern und mit Holz-Beton-Verbunddecken
Holzart und -menge: Fichte BSH GL24h (195 m3); Fichte BSH GL28h (75 m3); Fichte CLT, B/C, verschiedene Stärken (ca. 2400 m2)
Bruttogeschossfläche: 3489 m2
Gebäudevolumen: 13090 m3
Kosten (BKP2): CHF 13 Mio.
Besonderheiten: sehr enge Platzverhältnisse auf Baustelle; kurze Bauzeit; Anlieferung der Fenster unter Berücksichtigung des Höhenausgleichs
Renggli AG
Das 1923 von Gottfried Renggli in Schötz gegründete Unternehmen blickt inzwischen auf eine über100-jährige Unternehmensgeschichte zurück. Heute zählt der Betrieb zu einem der führenden Holzbau- und Generalunternehmen der Schweiz und bietet rund 260 Arbeitsplätze, verteilt auf fünf Standorte: Schötz (Holzbaupartner und Produktionswerk), Sursee (Generalunternehmung), Granges-Paccot (Geschäftsstelle Westschweiz), Ascona (Geschäftsstelle Tessin), Winterthur (Geschäftsstelle Ostschweiz) sowie im deutschen Eberswalde (timpla by Renggli). Anfang 2024 ging das Schweizer Familienunternehmen von Max Renggli in die fünfte Generation über und wird seitdem von den drei Brüdern David, Samuel und Micha Renggli geführt. renggli.swiss