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04/24 545 Elemente

BAUEN

Über den Herzschlag in einer Schule aus Holz

Die Gemeinde Teufen legt Wert auf ihre Sekundarschülerinnen und -schüler. Davon zeugt das neue Schulhaus, das das Holzbauunternehmen Kaufmann Oberholzer aus Schönenberg mit Teufner Holz errichtete.

Text Sue Lüthi Fotos Ladina Bischof Pläne Raumfindung Architekten

 

Beim Anblick des tiefroten Schulhauses in Teufen (AR) schlägt das Herz von Holzbauern und Architekten höher – und dasjenige der Schülerinnen und Schülern tiefer. Warum, dazu später. Für die Berufsleute gibt es viele stimmige Details zu betrachten, die die Raumfindung Architekten aus Rapperswil in enger Zusammenarbeit mit Kaufmann Oberholzer entwickelten. Der Entwurf entstand als Wettbewerbsaufgabe, die die Gemeinde ausgeschrieben hatte. Für sie stand die Nachhaltigkeit des neuen Schulhauses ganz oben auf der Anforderungsliste. «Schon früh war klar, dass nur ein Holzbau in Frage kam», sagt Urs ­Schöni,­ der Schulleiter. Er war von Anfang an in der Baugruppe der Gemeinde. Das statische Konzept berechnete Pirmin Jung Schweiz AG und schon bald setzte sich Matthias Fraefel, Projektleiter bei Kaufmann Oberholzer, an die Planung.


Fichtenbretter in Schwedenrot, ein schützendes Vordach, schmucke Rautengitter und sechs grosse Dachgauben verleihen dem Gebäude einen eigenen Charakter, und doch erinnern die Elemente an Bauten der ländlichen Umgebung. Der Haupteingang ist eindeutig und modern signalisiert, liegt aber geschützt hinter einer Stützenfront, die den rechteckigen Baukörper zusammenhält. Hier werden die Schülerinnen und Schüler zum Eintritt geladen, können unterstehen oder sich auf die Eichenbank setzen und mit den Handflächen das abgerundete Holz fassen. Nach dem Eintreten geht der Herzschlag und auch der Blick nach oben: In voller Höhe breitet sich der Raum aus und lässt das Licht aus der Dachgaube einfallen. Sechs Gauben, acht Meter breit, gucken abwechselnd nach Norden und nach Süden. Sie deuten die Klassenzimmer an und belichten den 28 Meter breiten Baukörper bis in die Gebäudetiefe. Im Grundriss liegen die fast quadratischen Räume im Raster des Holzelementbaus und bilden mit den ebenso grossen Vorräumen Lernlandschaften, sogenannte Cluster, die unterschiedlich bespielt werden können.


Gehobenes Raumklima

Die Oberflächen der Dreischichtplatten aus Fichte sind nur mit einem UV-Schutz gegen das Vergilben behandelt. Die längs gerichteten Deckenrippen (240 × 400 mm) tragen eine 80 Millimeter starke Dreischichtplatte, auf dieser liegen die Trittschalldämmung und ein geschliffener Hartbetonbelag. Die Rippen sind raumseitig sichtbar und zeigen dazwischen helle Akustikplatten, bündig eingelassen. Kein Echo hallt, Stimmen sind gedämpft und doch klar und zu hören. Kinder, die von massivem Holz umgeben sind, hätten eine deutlich niedere Herzfrequenz als jene zwischen konventionellen Wänden. Das ist kein Appenzeller Witz, sondern das Ergebnis einer Studie, die ein Forscher ein Jahr lang mit Schulklassen in entsprechender Umgebung durchgeführt hat.


Mit dem Beschreiten des Hauses beruhigt sich auch der Puls der Planenden, denn die stimmige Form folgt der Funktion. Das Achsraster von rund 8,50 Metern ergibt die Raumgrössen und bindet in den rechteckigen Baukörper von 70 Metern Länge und 28 Metern Breite zwei betonierte Treppenhauskerne ein. Um den Baufortschritt optimal gestalten zu können, legte Matthias Fraefel vier vertikale Bauetappen vor. Auf den Betonsockel montierten die Zimmerleute insgesamt 545 Elemente mit einem Holzvolumen von 1600 Kubikmetern. Diese hatte das Unternehmen an drei Standorten vorfa­briziert. Transport und Logistik seien eine grosse Herausforderung gewesen, sagt der Projektleiter, der bereits zum zweiten Mal ein Schulhaus dieser Grösse realisierte. Die Deckenelemente mit der integrierten Schüttung wogen über fünf Tonnen, die Wandelemente sind oft neun Schichten stark und 4,45 Meter hoch. Beim Versetzen und Montieren war viel Vorsicht geboten, da die Oberflächen fixfertig auf die Baustelle kamen. Nach dem Aufrichten der vierten Vertikaletappe gingen die Arbeiten im Gebäude von oben nach unten weiter. Bei den Verbindungen und insbesondere den Anschlüssen der Elektrorohre, die bereits im Werk in die Elemente eingelegt wurden, waren die Holzbauer zusätzlich gefordert. Das Lüftungskonzept wurde situativ verschieden ausgeführt. Die Unterrichtszimmer in den Obergeschossen werden über eine mittige Technikschicht im Bereich der Wandschränke erschlossen und dezentral mit Frischluft versorgt. Die Fluchtwege sind über die beiden vertikalen Treppenhäuser gewährleistet. Dadurch können die Vorzonen ohne Auflagen möbliert und bespielt werden.


Fassadenholz aus lokalem Wald

Die Fassade war ebenfalls in Elementen vorfabriziert worden, inklusive der Behandlung mit der diffusionsoffenen Schlammfarbe. Die Fassadenelemente bildeten einen eigenen Arbeitsabschnitt. Als identitätsstiftende Massnahme und zur Stärkung des gemeindeeigenen Forstbetriebs wurde die Fassadenschalung aus Fichte der lokalen Wälder errichtet. Da es sich um ein öffentliches Bauvorhaben handelte, galt die Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen. Aus diesem Grund wurden die Fassadenelemente zweistufig ausgeschrieben. Die Stufe 1 (Beschaffung, Säge- und Hobelarbeiten sowie die Weiterverarbeitung zu Halbfabrikaten) konnte direkt an die Forstbetriebe Teufen vergeben werden. Die Stufe 2 (Behandlung, Elementbau und Montage) war Teil des regulären Holzbauauftrags.
raumfindung.ch

Sekundarschule Teufen

Projekt: Neubau Sekundarschule Teufen (AR)
Realisierung: 2023
Bauherrschaft: Gemeinde Teufen
Architektur: Raumfindung Architekten, Rapperswil (SG)
Holzbauingenieur: Pirmin Jung Schweiz AG, Sursee (LU)
Holzbauunternehmen: Kaufmann Oberholzer AG, Schönenberg (TG); Projektleitung Matthias Fraefel
Fassadenbehandlung: Falu Vapen
Gebäudevolumen: 24 890 m3
Gesamtkosten (BKP 1–9): CHF 24,38 Mio.
Kosten Holzbau: CHF 5,48 Mio.


Kaufmann Oberholzer AG

Die Kaufmann Oberholzer AG deckt mit fünf Werken und rund 150 Mitarbeitenden das gesamte Spektrum der Holzverarbeitung ab. Die treibende Kraft ist Inhaber Rico Kaufmann (51), der 2001 den Schreinerei- und Zimmermannsbetrieb von seinem Vater Walter Kaufmann übernommen hatte. Sieben Jahre später kam die L.?Oberholzer AG aus Schönenberg dazu und bald wurde in eine neue Abbundanlage investiert. Kaufmann übernahm 2016 die Rutishauser Holzleimbau AG, 2018 die Menghin AG und 2022 die Lanter Holzbau AG. Die Firma hat Standorte in Roggwil/Arbon (TG), Schönenberg (TG), Rorschach (SG) und St.Gallen. Das Unternehmen bietet sämtliche Dienstleistungen aus einer Hand an. Ein besonderes Augenmerk legt die Firma auf das Thema Bauleitung. Die Projektleitung der Sekundarschule in Teufen führte Matthias Fraefel. Der 38-jährige Holzbautechniker aus St.Gallen ist seit bald elf Jahren im Betrieb beschäftigt und hat schon mehrere Schulhäuser realisiert, die Sekundarschule in Teufen ist das zweite in dieser Dimension. kaufmann-oberholzer.ch